LH-Stellvertreterin Christine Haberlander und Landesrätin Birgit Gerstorfer fordern zu Achtsamkeit beim Thema Gewalt gegen Frauen auf:
„Hinschauen statt wegschauen – und Vorfälle melden“
Zwei von drei Übergriffen geschehen in der Familie und im sozialen Nahraum durch Ehemänner, Lebensgefährten, Väter, Stiefväter. Es handelt sich um ein Problem, das die Gesellschaft – in allen sozialen Schichten – als Ganzes betrifft.
Die derzeitige Situation ist für viele Familien herausfordernd und bringt eine erhöhte Gefahr mit sich. Durch die Maßnahmen aufgrund von Covid19 verbringen die Familienmitglieder die meiste Zeit in den eigenen vier Wänden. Hinzu kommen neben der räumlichen Enge vielleicht auch noch finanzielle Sorgen. Gerade für Frauen, die bereits vorher in einer angespannten Partnerbeziehung gelebt haben, birgt diese Situation zusätzliche Gefahren.
„Wir sehen es in Oberösterreich an den Zahlen, die seit vergangener Woche steigen, dass die häusliche Gewalt mit den andauernden Maßnahmen zunimmt, und wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer an Gewalttaten um einiges höher liegt“, so LH-Stellvertreterin Christine Haberlander und Landesrätin Birgit Gerstorfer. „Natürlich stehen für betroffene Frauen auch weiterhin die üblichen Hilfsangebote zur Verfügung. Es kann aber derzeit schwierig sein, dass sich Frauen melden oder frei sprechen können, weil der Täter ja permanent im eigenen Haushalt anwesend ist. Deshalb appellieren wir eindringlich an alle Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher: Wenn Sie beobachten oder vermuten, dass eine Frau häuslicher Gewalt ausgesetzt ist, schauen Sie nicht weg, sondern ganz genau hin, und melden Sie Verdachtsfälle bei der Polizei oder anderen Stellen.“
In den ersten zwei Wochen seit Verhängung der Ausgangsbeschränkungen waren die Zahlen vergleichbar mit jenen des Vorjahres. Seit vergangener Woche steigen diese allerdings an. Das Gewaltschutzzentrum OÖ verzeichnet im Vergleich zum Vorjahr einen deutlichen Anstieg bei der Anzahl der Klientinnen und ebenso mehr Betretungsverbote.
„Normalerweise flüchten die Betroffenen zuerst zu Nachbarn oder Freunden. Davor scheuen sich derzeit viele. Sie fragen sich: Was passiert, wenn ich jetzt die Polizei rufe? Wohin muss im Falle einer Wegweisung der Täter? Muss ich im Frauenhaus in Quarantäne?“, so Eva Schuh, Leiterin des Gewaltschutzzentrums OÖ.
Für betroffene Frauen sind in den oberösterreichischen Frauenhäusern und den eingerichteten Zusatzquartieren auf jeden Fall Plätze frei. Margarethe Rackl, Geschäftsführerin des Frauenhauses in Linz, rechnet in den kommenden Wochen mit einem steigenden Bedarf: „Wenn der Mann den ganzen Tag über in der Wohnung ist, ist es für Frauen noch schwieriger, mit uns zu telefonieren.“
Netzwerk an Hilfseinrichtungen
Die wichtigste Anlaufstelle ist die Frauennotrufnummer 0800 222 555. Der Frauennotruf hilft kostenlos, anonym und rund um die Uhr. Informationen zu sämtlichen Helplines gibt es auf der Homepage des Frauenreferates OÖ unter www.frauenreferat-ooe.at .
Zudem können sich natürlich alle Betroffenen und alle, die Taten beobachten, unter der Notrufnummer 133 an die Polizei wenden.
Auch das Gewaltopfer-Betreuungsteam des Kepler Universitätsklinikums ist weiterhin im Einsatz. Derzeit arbeiten die Betreuerinnen vermehrt telefonisch oder über E-Mail. Sollte eine persönliche Betreuung notwendig sein, ist auch diese – unter den üblichen Covid19-Schutzmaßnahmen – möglich. Sollte eine Patientin in das Klinikum kommen wollen, sollte wenn möglich eine persönliche Vorankündigung erfolgen. Die Zahlen steigen derzeit nicht. „Unsere Expertinnen im Gewaltopfer-Betreuungsteam geben allerdings auch zu bedenken, dass derzeit wahrscheinlich weniger Patientinnen ‚unbemerkt‘ ins Krankenhaus kommen können, weil der Täter eben derzeit immer im gemeinsamen Haushalt anwesend ist. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir als Gesamtgesellschaft sensibel darauf achten, was um uns herum passiert. Wir dürfen uns nicht davor scheuen, die Polizei zu rufen und Beobachtungen mitzuteilen – lieber einmal zu viel als einmal zu wenig. Wir dürfen die Gewaltopfer nicht alleine lassen. Auch und gerade in einer Zeit wie dieser gilt weiterhin: Jedes Opfer ist ein Opfer zu viel“, so Haberlander und Gerstorfer.
Foto Land OÖ/Aufnahme vor Corona