Corona-Auswirkungen auf häusliche Gewalt ernst nehmen – kommende Monate genau beobachten
LH-Stellvertreterin Mag.a Christine Haberlander appelliert an Nachbarschaft, Familie und Freunde für erhöhte Sensibilität
Die Coronakrise hat ihre Spuren in allen Lebensbereichen der Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher hinterlassen. Auch der Anstieg häuslicher Gewalt blieb davon nicht unberührt. So wurden im Mai 2020 50 Betretungs- und Annäherungsverbote von der Polizei ausgesprochen – der Höchststand an Gefährdern im Vergleichszeitraum der vergangenen drei Jahre. Aber auch im Gesamtvergleich der ersten fünf Monate des Jahres ist ein Anstieg an Betretungs- und Annäherungsverboten spürbar.
„Gewalt an Frauen und Kindern hat in Oberösterreich keinen Platz – weder körperlich noch verbal. War es jemandem aufgrund der Ausgangsbeschränkungen in den vergangenen Wochen und Monaten nicht möglich sich zu melden, appelliere ich an alle, die sich bedroht fühlen oder in der Coronazeit Opfer von Gewalt wurden, sich zu melden. Denn wir können nur gegen jene Gefährder vorgehen, die uns auch bekannt sind“, ermutigt Frauenreferentin LH-Stellvertreterin Christine Haberlander alle Opfer von häuslicher Gewalt sich zu melden.
Eine Gesetzesänderung, aufgrund derer seit diesem Jahr auch Annäherungsverbote in die Zahl der Opfer miteinfließen, hat auch für eine spürbare Zunahme an Opfern häuslicher Gewalt geführt. Das bedeutet, was in den vergangenen Jahren als ein Betretungsverbot (auf den Haushalt bezogen) gezählt wurde, kann heute drei Annäherungsverboten (etwa eine Mutter mit zwei Kindern, die in einem Haushalt leben) entsprechen.
„Ich begrüße das neue Gesetz, mit welchem die Opfer weiter in den Mittelpunkt gerückt werden. Zudem steigt mit der wahren Anzahl der Opfer häuslicher Gewalt auch das Bewusstsein der Gesellschaft. Wir wissen noch nicht genau, welchen Einfluss Corona auf die Zahlen hat. Aber ich appelliere an alle Nachbarn, Familien und Freunde insbesondere in den kommenden Monaten eine besondere Sensibilität walten zu lassen und mögliche Anzeichen für häusliche Gewalt zu melden. Denn wäre man selbst Opfer häuslicher Gewalt, würde man sich auch Hilfe wünschen, wenn man sich selbst nicht helfen kann“, so die LH-Stellvertreterin.
Ein Anstieg zum Thema „Frauen und Gewalt“ wurde seitens der Frauenberatungsvereine und -beratungsstellen unterschiedlich wahrgenommen. Während es bei einigen Beratungsstellen lediglich zu einem leichten Anstieg kam, ist etwa bei der Frauenberatung Wels die Beratung um das Doppelte gestiegen und das Frauenhaus Wels war bis Ende Mai zur Gänze ausgelastet.
Gerade im Hinblick auf die Nachwirkungen von Corona gilt für die kommenden Monate eine erhöhte Sensibilität sowohl in den Familien- und Freundeskreisen, aber auch in der Nachbarschaft, für mögliche Fälle von häuslicher Gewalt. Die Hilfe in Oberösterreich ist hier breit ausgestellt:
Großes Netzwerk an Hilfseinrichtungen und Beratungseinrichtungen in OÖ
Es ist besonders wichtig, dass Frauen die Frauennotrufnummer 0800 222 555 kennen. Der Frauennotruf hilft kostenlos, anonym und rund um die Uhr. Laut einer Umfrage kennen nur ein Fünftel aller Frauen den Frauennotruf!
Frauennotruf OÖ. – das Autonome Frauenzentrum ist eine vom Frauenministerium anerkannte Fachstelle zu sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen und bietet als anerkannte Opferschutzeinrichtung umfassende Informationen und persönliche Beratungen sowie Prozessbegleitungen in einem möglichen Strafprozess.
Neben fünf Frauenhäusern und sechs Frauenübergangswohnungen gibt es in Oberösterreich zudem die 22 Frauenvereine und -beratungsstellen (in jedem Bezirk mindestens eine Einrichtung), die Frauen und Mädchen Hilfe, Beratung und Unterstützung in schwierigen Lebenslagen bieten.
Am Kepler Universitätsklinikum gibt es eine Opferschutzgruppe, das Gewaltopfer–Betreuungsteam, kurz GOBT genannt, wo die Betroffenen ganzheitlich betreut werden.
Bewusstseinsbildung, Aufklärung und Prävention sind unabdingbar. Im Frauenreferat des Landes Oberösterreich und auf der Homepage gibt es eine Broschüre „Halt, so nicht!“, die Sicherheitstipps für Frauen und Mädchen gibt.
Grafik: Polizei