Weltkrebstag

Ernährungstherapie bei Krebs – Kraft tanken in schwierigen Zeiten

Krebs stellt nicht nur den Körper, sondern auch die Seele auf eine harte Probe. Viele Tage sind ein Ringen – um Hoffnung, Leben und Normalität. In dieser schweren Zeit kann Ernährungstherapie ein Anker sein. Sie ist mehr als nur „Essen“ – sie ist ein entscheidender Teil der Behandlung und oft eine Quelle von Kraft, Lebensfreude und Normalität.

Laut dem Krebsregister des Tumorzentrums Oberösterreich wurden 2024 etwa 10.000 Menschen neu mit Krebs diagnostiziert. Einige dieser Erkrankungen ließen sich durch eine Veränderung des Lebensstils verhindern. Dabei ist die Bedeutung der Ernährung nicht zu unterschätzen. Schlechte Ernährung, Übergewicht und damit oftmals einhergehender Bewegungsmangel und weitere ungesunde „Gewohnheiten“ wie Rauchen wirken sich nachgewiesen auf das Risiko, an Krebs zu erkranken, aus.

„Gesundheit ist unser höchstes Gut. Gesundheitsversorgung unsere wichtigste Aufgabe. Unsere Krankenhäuser bieten daher nicht nur medizinische Spitzenleistungen, sondern auch eine breite Palette an Therapieangeboten. Therapieerfolg erfordert Vielfalt, und in Oberösterreich haben wir diese Vielfalt. Denn wir alle arbeiten für ein großes Ziel: Dafür, dass die Menschen in unserem Land gesund und gut leben können. Heute – und bis ins hohe Alter,“ sagt Landeshauptmann-Stellvertreterin und Gesundheitsreferentin Mag.a Christine Haberlander.

Spürbar besserer Behandlungserfolg durch Ernährungstherapie im Krankenhaus
„Wir wissen, dass Ernährung sowohl bei der Entstehung von Krebserkrankungen als auch bei deren Therapie eine wichtige Rolle spielt. Eine ausgewogene, gesunde Ernährung ist ein wesentlicher Bestandteil eines präventiven Lebensstils. Durch gezielte Ernährung können aber auch Begleiterscheinungen der Therapie deutlich gemildert und positiv beeinflusst werden“, betont Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann, Leiter Tumorzentrum OÖ, Leiter Zentrum für Tumorerkrankungen am Ordensklinikum Linz.

Begleiten und Bewusstsein schaffen
„In meiner täglichen Arbeit als Diätologin begleite ich viele Krebspatientinnen und -patienten auf ihrem Weg. Als Fachexpertin für Ernährung erlebe ich, wie entscheidend die richtige Ernährung für Genesung und Lebensqualität ist, denn die Auswirkungen von Krebs sind oft dramatisch“, sagt Michaela Perndl, Leitende Diätologin am Kepler Universitätsklinikum. „Viele Patientinnen und Patienten – laut Studien 30 bis 80 Prozent – verlieren durch die Erkrankung und Therapie erheblich an Gewicht. Darüber hinaus verändern Tumore den Stoffwechsel und Nüchternzeiten sowie Nebenwirkungen wie Übelkeit und Appetitlosigkeit verstärken diesen Gewichtsverlust noch zusätzlich.“

Die Aufgabe der Diätolog/innen ist es, diese Auswirkungen abzufedern und Patient/innen dabei zu begleiten, einen guten Ernährungsstatus zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Patient/innen und Angehörige aufzuklären, Ernährungsrisiken zu identifizieren, individuelle Ernährungstherapien zu entwickeln und deren Erfolg fortlaufend zu überwachen, sind Teil dieser Betreuung.

Ernährungsrisiken identifizieren
Kommt es im Rahmen der Therapie zu einem rapiden Gewichtsverlust, gilt es Gegenmaßnahmen zu setzen, denn ein rapider Gewichtsverlust betrifft nicht nur das Körperfett, sondern auch die Muskelmasse. Dies kann zu einer reduzierten Mobilität, einer höheren Infektanfälligkeit sowie der schlechteren Verträglichkeit der Krebstherapie führen.

Besonders betroffen sind ältere Patientinnen und Patienten (über 65 Jahre) mit Begleiterkrankungen. Viele nehmen den Gewichtsverlust zunächst positiv wahr, weil er ihrem Idealbild entspricht. Doch die Expert/innen wissen, dass ein unkontrollierter Gewichtsverlust schwerwiegende Folgen haben kann, denn der Verlust an Muskelmasse kann kaum bzw. nur schwer wieder aufgeholt werden.

Ernährungstherapie – ein dynamischer Prozess
Die Rolle der Ernährungsexpert/innen ist es, Patient/innen individuell zu beraten und eine differenzierte Ernährungstherapie anzubieten, denn Ernährungstherapie hilft,

  • Infektionen vorzubeugen
  • die Wundheilung zu unterstützen
  • Nebenwirkungen der Therapie zu lindern
  • die Therapietoleranz zu erhöhen
  • Unterbrechungen der Therapie zu minimieren und
  • die Verträglichkeit von Medikamenten zu verbessern.

Beispielsweise können Muskeln in Kombination mit Bewegung durch die richtigen Nährstoffe erhalten werden. Sie unterstützt, dass Nebenwirkungen der Therapie weniger auftreten bzw. minimiert werden und sie verhilft zu mehr Kraft und Energie im Alltag.

Ziele der Ernährungstherapie
Das Ziel der Ernährungstherapie ist es, die Muskelmasse und somit die Funktionalität im Alltag zu erhalten und die Lebensqualität zu steigern. Der Fokus liegt auf der Unterstützung eines aktiven und selbstbestimmten Lebens.

Um dies zu erreichen, stellen die Expert/innen eine bedarfsgerechte Versorgung mit Nährstoffen und Energie sicher. Dafür wird ein breites Spektrum an Therapiemöglichkeiten genutzt – von der gezielten Auswahl und Anreicherung von Lebensmitteln über Trink- und Sondennahrung bis hin zu parenteralen Infusionen (künstliche Ernährung über einen Venenkatheter). Jede Therapie wird individuell gestaltet und abgestimmt, wobei in enger Zusammenarbeit mit den Betroffenen und dem behandelnden Team die optimale Lösung entwickelt wird. Kombinationsmöglichkeiten werden dabei flexibel berücksichtigt, um das individuell beste Ernährungskonzept zu finden.

„In meiner Arbeit sehe ich oft Menschen, die sich im Dschungel aus Mythen und Halbwahrheiten verirren. Viele glauben, Krebs allein durch Ernährung heilen zu können – das ist falsch. Fakt ist, Ernährung unterstützt die Therapie, heilt aber nicht. Wir wissen auch, dass einseitige Diäten und Nahrungsergänzungsmittel schaden und die Therapie behindern können. Oftmals werden beispielsweise Präparate eingenommen, die gefährliche Wechselwirkungen mit der Chemotherapie haben können. Darum gilt, immer Ärztinnen und Ärzte und Diätologinnen und Diätologen um Rat zu fragen!“, betont Michaela Perndl.

Leitlinie schafft oberösterreichweit gültige Standards
Die Arbeit der Ernährungsexpert/innen endet jedoch nicht bei der Therapie einzelner Betroffener. Sie engagieren sich aktiv für die Verbesserung der Strukturen in Oberösterreich, denn Fairness in der Gesundheitsversorgung, unabhängig davon, wo man in Oberösterreich zuhause ist, liegt ihnen besonders am Herzen. Daher wurde eine Initiative zur Erstellung einer Leitlinie „Ernährung bei Krebspatienten“ gestartet und gemeinsam wird daran gearbeitet, den Betroffenen durch ein gutes Screening und eine frühzeitige Ernährungsintervention zu helfen.

Ein gutes Screening, der richtige Stellenwert der Ernährung im Krankenhaus und die Implementierung klarer Prozesse sind entscheidend, um den Patientinnen und Patienten eine bestmögliche Versorgung zu bieten. Hier setzt das Tumorzentrum Oberösterreich an. Durch die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Spitälern werden neue Standards in der Versorgung in ganz Oberösterreich implementiert:

„Wir haben im Tumorzentrum vielfach erlebt, wie sich durch Schaffung guter Prozesse und Abläufe die Behandlungsqualität von Krebspatientinnen und -patienten in den Spitälern deutlich verbessert hat. Ein Beispiel sind die Einführung von Tumorboards. Im Fachgebiet der Ernährungsmedizin gibt es an den Spitälern bereits viel positive Abläufe, zum Beispiel individuelle Beratungsangebote. Jedoch ist in allen Spitälern das Screening der Patientinnen und Patienten auf Mangelernährung oder drohende Mangelernährung nicht ausreichend strukturiert implementiert. Es ist großes Ziel des Tumorzentrums, im kommenden Jahr durch verbesserte Screening-Prozesse in den Spitälern noch frühzeitiger als bisher den Bedarf von Patientinnen und Patienten für eine gezielte Ernährungstherapie zur Verhinderung einer Mangelernährung zu erkennen und dadurch bessere und komplikationsfreiere Behandlungen zu ermöglichen“, sagt Ansgar Weltermann.

Monitoring ermöglicht flexible Adaptierung
Ernährung ist ein dynamischer Prozess, der den Austausch mit Patient/innen, Angehörigen und dem Behandlungsteam erfordert. Oft ändern sich die Bedingungen wie die Verträglichkeit von Lebensmitteln, Nebenwirkungen und die Menge der zugeführten Nahrung. Manchmal sind Maßnahmen nur wenige Tage nötig, manchmal aber auch monatelang. So gilt es flexibel darauf zu reagieren, ob Nahrungsmittel weiterhin gut vertragen werden, ob neue Beschwerden hinzukommen bzw. ob eine Umstellung auf Sondennahrung oder parenterale Ernährung nötig sind.
Danke eines gezielten Monitorings kann auf diese geänderten Voraussetzungen bestmöglich reagiert werden.

Ernährung in der letzten Lebensphase
Am Lebensende verändert sich der Fokus. Ernährung dient nicht mehr der Heilung, sondern dem Wohlbefinden. „Angehörige tun sich oft schwer, den Wunsch des Patienten bzw. der Patientin nach weniger Essen zu akzeptieren. Doch gerade in dieser Phase müssen Angehörige verstehen, dass der Appetit am Lebensende natürlicherweise abnimmt. Es ist normal, dass Patienten weniger essen möchten und Zwang kann mehr schaden als helfen“, erklärt Michaela Perndl.

Aufgabe der Diätolog/innen ist es dann, die Patient/innen und deren Angehörige zu begleiten, Wünsche zu akzeptieren und Symptome zu lindern.

„Es ist unsere Aufgabe den Menschen Sicherheit mitzugeben. Die Ernährungstherapie ist kein Luxus, sie ist ein essentieller Bestandteil der Krebstherapie.“

Info-Box

Statistischer Überblick

  • 10.000 Neuerkrankungen in Oberösterreich jedes Jahr, 8.000 davon bösartig
  • Jüngere Betroffene: 120 Menschen unter 20 Jahren erkrankten an Krebs
  • Berufstätige Altersgruppe: 1.809 Diagnosen bei 20- bis 60-Jährigen

Weniger chronischer Stress sowie weniger Sorgen um die Aspekte Arbeitsplatz, Einkommen oder das Weiterführen eines Hobbys verbessern die Therapietreue der Patientinnen und Patienten

Fotos: Land OÖ, Verwendung mit Quellenangabe